Eine neue Studie hat ergeben, dass der Bau dieser kolossalen Formen noch gefährlicher war als gedacht
Ein TikTok-Trend scheint die Feeds junger Menschen erobert zu haben und sorgt momentan für großes Aufsehen und das, obwohl er angeblich nur aus positivem Denken besteht. Beim "Lucky-Girl-Syndrom" (zu Deutsch: "Glückliches-Mädchen-Syndrom"), wie der Trend genannt wird, schwören Menschen auf den einfachen Prozess, sich selbst Mantras wie "Ich habe so viel Glück und alles läuft nach meinen Wünschen" zu sagen und ernten dann plötzlich die Früchte. Harmlos, oder?
Falsch! Der Trend ist aus mehreren Gründen in die Kritik geraten, von toxischer Positivität bis hin zur Diskussion über Privilegien. Sogar PsychologInnen mischen sich ein und betonen die Vor- und Nachteile dieser Art von Mentalität, die die Generation Z im Sturm erobert hat, die es aber seit der Zeit der Babyboomer in verschiedenen Formen gibt.
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Der Begriff "Lucky-Girl-Syndrom" erlangte im Dezember 2022 auf TikTok enorme Aufmerksamkeit, als Content-Creatorin Laura Galebe ein Video teilte, in dem sie erklärte, dass sie ihrer Meinung nach "die verrücktesten Möglichkeiten" bekam, weil sie einfach "erwartete, dass großartige Dinge passieren", das berichtete das Magazin Dazed. Sie führt ihren Erfolg und ihr Leben in New York auf die Kraft positiver Gedanken zurück, die auf bestimmten Mantras beruht.
Das sogenannte Syndrom ist nicht so bahnbrechend, wenn man es mit der Manifestation vergleicht. Und ähnlich wie bei der Manifestation glauben Menschen selten daran, dass das Universum ihnen einfach in die Karten spielt, nur weil sie etwas wollen und es laut aussprechen oder aufschreiben.
Das Gesetz der Anziehung ist eine Philosophie, die besagt, dass positive Gedanken positive Ergebnisse im Leben eines Menschen bringen. Aber es sind nicht nur die Gedanken, die die Arbeit machen, genauso wie das Lucky-Girl-Syndrom das Leben eines Menschen nicht einfach auf der Grundlage eines Mantras verändert, egal wie viele Menschen darauf schwören.
Was viele Menschen nicht wissen: die Manifestation und das Gesetz der Anziehung funktionieren, weil Menschen zulassen, dass diese Gedanken und Mantras ihren Geist öffnen und ihre Aufmerksamkeit darauf richten. Sie fühlen sich frei und nehmen positive Gelegenheiten wahr und nutzen diese.
PsychologInnen sagen, dass das Lucky-Girl-Syndrom vom Gesetz der Annahme kommt, einer Theorie, die der New-Age-Philosoph Neville Goddard in den 1940er und 1950er Jahren entwickelte. Diese Theorie besagt, dass man, wenn man annimmt etwas bereits zu haben, es irgendwann auch bekommt.
Das Gesetz der Annahme verleiht einer Annahme keine mystische Kraft. Vielmehr beseitigt es einschränkende Überzeugungen und verändert das Bewusstsein, sodass Sie leichter den Dingen nachgehen können, die Sie sich wünschen.
Es gibt einige wissenschaftliche Belege dafür, warum das Gesetz der Annahme und das Lucky-Girl-Syndrom bei manchen Menschen zu funktionieren scheinen. Es dreht sich hierbei um das retikuläre Aktivierungssystem (RAS), berichtet Women's Health. Das RAS ist ein Netzwerk von Neuronen im Hirnstamm, das ein Filtersystem in Ihrem Kopf schafft, das Informationen filtert und sucht, die Ihre bereits bestehenden Überzeugungen bestätigen und Ihnen hilft, das zu sehen, was Sie sehen möchten. Es ist, als würde man "immer" die gleiche Uhrzeit auf der Uhr sehen. Die Realität ist, dass Ihr Gehirn gerade diesen Zeitpunkt wahrnimmt, um Ihren Glauben zu bestätigen.
Die Idee hinter dem Gesetz der Annahme besteht darin, dass wir unser RAS aktivieren, um nach dem bestmöglichen Ergebnis zu suchen, und unsere Perspektive so ändern, dass wir uns nicht auf die negativen Dinge konzentrieren, die passieren könnten, sondern das Positive im Auge behalten. Im Fall des Lucky-Girl-Syndroms würde das vorherige Beispiel, eine bestimmte Zeit zu sehen, durch das Mantra ersetzt, und Ihr Gehirn sucht hypothetisch nach guten Dingen und ordnet sie dann dem Glücks-Mantra zu.
Viele Menschen glauben jedoch, dass das RAS und das Lucky-Girl-Syndrom nur die eigene Auffassungsgabe beschönigen. Das liegt daran, dass die Menschen, die wirklich Resultate sehen, gezielt nur die Gründe und Zufälle aufgreifen, warum sich ihr Glück zum Besseren wendet. Die Irritationen und Sorgen werden außer Acht gelassen, die sie sonst vielleicht in Betracht gezogen hätten. Und hier liegt die Krux: Bestätigungsverzerrung ist sowohl der Grund, warum dieses Syndrom "funktioniert", als auch der Grund, warum es nicht funktioniert.
Es wird immer Situationen im Leben geben, in denen positives Denken versagt, und die Gefahr besteht darin, Menschen dazu zu ermutigen, diese Situationen zuzulassen und zu glauben, dass sie es schaffen, wenn sie ein Mantra nur oft genug wiederholen.
Wenn Dinge wie Manifestation und Lucky-Girl-Syndrom für bare Münze genommen werden, was durch Trends gefördert wird, kann das im schlimmsten Fall auch gefährlich werden. Wie The Guardian berichtete, besteht die Gefahr darin zu glauben, dass man immer das bekommt, was man verdient.
Durch die Vorstellung, dass man bekommt, was man verdient, sind viele Menschen dazu gezwungen, sich selbst die Schuld für schlimme Dinge zu geben, die passieren, selbst wenn diese Dinge völlig außerhalb ihrer Kontrolle liegen. TikTok-BenutzerInnen, die sich gegen das Lucky-Girl-Syndrom aussprechen, berichten von Fällen, in denen sie sich selbst die Schuld gaben, wenn ihr positives Denken einem kranken Verwandten nicht helfen oder langfristige Gesundheitsprobleme nicht heilen konnte.
Toxische Positivität ist ein Begriff, der immer bekannter wird, weil in unserer Gesellschaft oft darauf bestanden wird, dass man immer eine positive Einstellung behalten soll, egal wie schlecht oder schwierig eine Situation ist. Es ist eine ungesunde Art, mit Problemen umzugehen, weil dabei negative Gefühle ignoriert, unterdrückt oder abgelehnt werden und stattdessen falsche Zusicherungen gegeben werden.
Abdullah Boulad, ein Verhaltensspezialist und Gründer von The Balance, räumt ein, dass positives Denken bei der Selbstkontrolle, beim Sozialisieren und beim Stressabbau hilft: "Aber wenn es als Bewältigungsmechanismus für den Umgang mit unangenehmen Emotionen oder der harten Realität des Lebens eingesetzt wird, ist es toxisch", sagte er zu Dazed.
"Dies kann zu einem Mangel an Selbstbewusstsein, unangemessenen Erwartungen und Desillusionierung führen", fuhr Boulad fort. "Es ist von entscheidender Bedeutung, unangenehme Gefühle und Umstände zu erkennen und damit umzugehen und gleichzeitig nach dem Positiven zu suchen und sich darauf zu konzentrieren, um ein Gleichgewicht zwischen dem Gesetz der Annahme und toxischer Positivität zu finden."
Verschiedene TikTok-BenutzerInnen haben auch angedeutet, dass der Druck, "gute Gedanken zu haben", völlig nutzlos sein kann, wenn man unter bestimmten psychischen Erkrankungen oder körperlichen Behinderungen leidet. Andere kritisierten die Art und Weise, wie Menschen ausgeschlossen werden, die beispielsweise durch Rassismus unterdrückt werden – Menschen, die sich nicht einfach aus ihrer Situation herausdenken können.
KritikerInnen stellten fest, dass die meisten Menschen, die nach diesem Trend oder diesem "Syndrom" leben wissen, wie wohlhabend oder attraktiv sie sind. Darüber hinaus handelt es sich bei den "Problemen", die das Universum angeblich für sie löst, um "First-World-Problems", wie etwa eine Beförderung zu bekommen, ein Haus zu bekommen, Last-Minute-Flüge zu bekommen oder Taylor-Swift-Tickets zu bekommen.
Die Kulturtheoretikerin Lauren Berlant beschreibt diese Art der Opferzuweisung als "grausamen Optimismus", den The Guardian als "die große Lüge, dass man individuelle Lösungen für strukturelle Probleme finden kann" beschreibt. Ein Beispiel hierfür ist der Mythos, dass wir die globale Erderwärmung dadurch lösen können, dass wir individuell mehr recyceln, obwohl angeblich 20 Unternehmen für ein Drittel aller globalen Emissionen verantwortlich sind.
Obwohl das Lucky-Girl-Syndrom ein harmloser Trend zu sein scheint, trägt es zu grausamem Optimismus bei, indem es die Aufmerksamkeit von den bestehenden Machtstrukturen ablenkt und diese Macht stattdessen der eigenen Denkweise des Einzelnen zuschreibt. Diejenigen, die weniger "Glück" haben, werden dann für ihr eigenes "Unglück" verantwortlich gemacht, während die wenigen Glücklichen das Gefühl haben, dass sie ihre Macht selbst verdient haben.
Abgesehen von Privilegien kann das Vertrauen in ein Glücksmantra auch nach hinten losgehen und dazu führen, dass man keine Verantwortung für die eigenen Handlungen übernimmt. Es könnte einen auch dazu ermutigen, gute Dinge nicht zu tun oder Themen herunterzuspielen, um ein bestimmtes Image aufrechtzuerhalten, was später negative Auswirkungen haben könnte.
Es ist wichtig zu bedenken, dass niemand die Vorteile von Optimismus in Frage stellt. Wenn Sie Ihre Gedanken positiver gestalten, können Sie widerstandsfähiger werden und Ihre mentale Gesundheit verbessern. Außerdem wurde gezeigt, dass Mantras das Wohlbefinden steigern können.
Einige Befürworter des Lucky-Girl-Syndroms behaupten auch, dass es ein sehr nützliches Werkzeug sei, um das Bewusstsein für negative Denkmuster zu schärfen und sie zu bekämpfen, die uns einschränken könnten, wie zum Beispiel die Annahme, dass die Dinge nicht funktionieren würden, dass das Universum sich gegen einen verschworen habe, und anderes entmutigende Gedanken.
Man kann mit Situationen unterschiedlich umgehen. Während der eine die Schuld auf sich nimmt, wenn etwas schief geht, erkennt der andere an, dass es unvermeidlich ist, dass etwas schiefgeht, dass es aber immer einen Ausweg geben wird.
Das Aufschreiben von Dingen, das Visualisieren Ihrer Wünsche, das Nachdenken über Ihre Umstände und das Umleiten negativer Gedanken: Das klingt nach Manifestation, ist aber auch Teil von kognitiver Verhaltenstherapie, die mit wissenschaftlich fundierter Forschung arbeitet, um Menschen mit psychischen Störungen zu helfen.
Bevor man sich auf einen Hype einlässt, ist es wichtig zu überlegen, wer bestimmte Trends kreiert und für welche Zielgruppen sie diese kreieren. Dieses sogenannte Syndrom sollte, wie alle Trends, mit Vorsicht und einer großen Portion gesundem Menschenverstand angegangen werden.
Wie die Washington Post erklärt, kam die "Kraft des positiven Denkens" zu den Babyboomern durch ein Buch des Methodistenpfarrers Norman Vincent Peale. Dann erreichte sie die Generation X durch das Bestseller-Buch "The Secret" über Manifestation. Bei den Millennials führte das zu Vision Boards und Tagebuchschreiben, und jetzt hat es die Generation Z mit dem "Lucky Girl Syndrome" erreicht.
Quellen: (BBC) (Dazed) (The Guardian) (The Washington Post) (Women’s Health)
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